Die elementare Kraft des Organischen



Die elementare Kraft des Organischen
Der Maler Volker Huschitt, geboren 1946 in Garmisch-Partenkirchen, lebt und arbeitet seit 1987 in Kiel. Im nördlichsten Bundesland hat er sich in kürzester Zeit durch zahlreiche Ausstellungen einen Namen gemacht und ist heute ein fester Bestandteil der schleswig-holsteinischen Kunstszene. Huschitt arbeitet jedoch nicht nur künstlerisch, sondern betreut als Kunsttherapeut unter anderem eine langjährige psychiatrische und eine geriatrische Malgruppe. Die Erfahrungen, die ihm diese Tätigkeit vermittelt, wirken auch auf seine Bilder zurück.
Dass Farben und Formen eine eigene elementare Ausdruckskraft innewohnt, die jenseits der abbildbaren Wirklichkeit liegt, hat Künstler zu allen Zeiten inspiriert. Die Erkenntnis, dass Farben und Formen unabhängig existieren können und unsere Welt nicht unbedingt wiedergeben, sondern erweitern, ist das Verdienst der Künstler unseres Jahrhunderts. Sie wenden sich bisher unbekannten Bildwelten zu und folgen damit der Einsicht der modernen Physik, Medizin und besonders der Psychologie, dass unsere Wahrnehmung nur eine subjektive Wahrheit ist und es keine für alle gültige, objektive Wirklichkeit gibt.
Die Formenwelt Volker Huschitts spürt den elementaren Kräften in der Malerei und ihren Signalwirkungen nach. Die Arbeit "Wo ist Dein Bruder" (siehe Abbildung) entwickelt zunächst ein Spannungsverhältnis zwischen physischen und technoiden Elementen, zwischen statischen geometrischen Grundformen und unbestimmter räumlicher Dynamik des Organischen. Als Brücke von der raumgreifenden Geste des knochenartigen Gebildes links, zur nüchternen Apparatur gegenüber entwickelt sich ein kleiner Kosmos aus Atavismen, archaischen Zeichen und Rudimenten des Lebendigen. Als abstrahierte Kraftlinie der Bewegungsenergie erschlägt Kain seinen Bruder zwischen unschuldigen Bauklötzchen der Kindheit und prähistorischer Figurine. Der Brudermord wird zum Konflikt unterschiedlicher Prinzipien, die alle gleichermaßen Bestandteil unserer Existenz sind.
Die Tiefe des Bildes ist keine Tiefe im illusionistischen Sinne, der Raum bleibt unbestimmt. Das Bild lebt von seinen Schwebezuständen, die eine Zuordnung der Einzelelemente erschweren. Es widersetzt sich der Verankerung in der Wirklichkeit und tritt uns vielmehr als gedankliche Konstruktion gegenüber.
Wenn es einen Sinn gibt, dann nur weil uns die Arbeit des Künstlers in ein assoziatives Traumbild verwickelt, in dem es kein festgefügtes Raum-Zeit-Kontinuum gibt. Unterschiedliche Ordnungen durchdringen sich, räumliche Suggestion und Bildfläche greifen ineinander. Wir haben es im Grunde mehr mit durchlässigen Sphären als mit definierten Orten zu tun. Unsere gewohnten Ordnungsraster funktionieren in den Bildern Volker Huschitts nur eingeschränkt; wir bewegen uns in ihnen wie Gäste in einem fremdartigen Kosmos. Für Volker Huschitt sind Bilder Gleichnisse.
Die Arbeit in der Geriatrie und Psychiatrie führt Volker Huschitt immer wieder in Grenzbereiche der menschlichen Wahrnehmung. Das "Normale" erweist sich als brüchig und verletzlich. Erkenntnis stellt sich als permanenter, Prozess dar, dessen man sich nie sicher sein kann; zu beiden Seiten des schmalen Grates der "gesunden" Wahrnehmung eröffnet sich eine Welt des Unbekannten. Wer möchte entscheiden, welche Realität sich in unseren Köpfen zu ereignen hat und ob mögliche Verwirrung nicht nur eine andere, ungewohnte Facette der Ordnung ist?

Hans Dieter Sommer
Kunsthistoriker
___________________________________________________________________________________

Gestalten zwischen Mensch und Tier

Gestalten zwischen Mensch und Tier

Volker Huschitt zeigt im Kieler Kirchenkai die Werkschau "Organische Tendenzen"

Erschienen in den Kieler Nachrichten Oktober 2007

Kiel -Er bevölkert seine Bildwelt mit ungewöhnlichen Gestalten. Sie ähneln Mensch und Tier, Männlein oder Weiblein, verweigern sich jedoch einer eindeutigen Zuordnung. Quietschgelb oder bonbonrosa stehen sie in synthetisch anmutenden Landschaften herum, die aussehen, als hätte man ihnen den Sauerstoff entzogen. Organische Tendenzen nennt Volker Huschitt seine Bilderschau, die jetzt im Kirchenkai gezeigt wird-
Besichtigung heißt eine Arbeit, in der ein gesichtsloses, in seiner Körperlichkeit zeichenhaft reduziertes Völkchen sich auf mausgrauen Hügeln um eine Art Totempfahl versammelt - unter einem nicht minder grauen Himmel, den eine rosafarbene Wolke tupft. Surreal ist das künstlerische Universum des gebürtigen Bayern, der seit 20 Jahren in Kiel arbeitet. Grafische Elemente und Ornamente schleichen sich hier und da ein, im Vordergrund steht jedoch die Gestalt - amorph und rätselhaft.
Antriebsfeder für sein malerisches Werk sei schlichter Formdrang, so der 61-Jährige. Spielerische Dialogsituationen, in denen er Tier- und Pflanzenwesen einander "im Gespräch" gegenüberstellt, beweisen seine Freude an der Erschaffung neuer Figuration. Andere Arbeiten geben sich erzählerisch, das Dargestellte erscheint weniger abstrakt. Ärger im Paradies nennt er ein Gemälde, auf dem eine Stadt in goldener Verheißung in der Ferne verschwimmt. Im Vordergrund droht eine Düsternis, in der es irgendwie wimmelt - undefinierbar und ungut.

Sabine Tholund
____________________________________________________________

Magische Abstraktionen

Volker Huschitt: »Magische Abstraktion«

Unter dem Titel »Magische Abstraktion« zeigt die IHK zu Kiel bis zum 2. April Ölbilder des Kieler Künstlers Volker Huschitt. Bei der Eröffnung wies IHK- Hauptgeschäftsführer Wolf- Rüdiger Janzen darauf hin, dass sich die IHK als »Haus der Wirtschaft« und der Öffentlichkeit auch die Möglichkeit zur Begegnung und Kontaktpflege bieten wolle. Die rund 40 Bilder von Volker Huschitt laden zu einem künstlerischen Ausflug in die Bildwelt ein, so Janzen.
Der ehemalige Kultusminister Dr. Peter Bendixen betonte in seiner Einführung die große handwerkliche Akribie des Künstlers und den "unbedingten Willen zur Form", den die Bilder des Künstlers auszeichnen. Sie wirkten magisch und bewegten den Betrachter dazu, sich Zeit zu nehmen für die Interpretation. Die Ausstellung ist während der Öffnungszeiten der IHK bis zum 2. April zu besichtigen.

(cal)
___________________________________________________________

Mit der Amöbe unterwegs...

Mit der Amöbe unterwegs im Kosmos der Fantasie

Ausstellung / Die Wellandgalerie Kirchner in Aalen-Dewangen zeigt „Organische Tendenzen“ des Kieler Künstlers Volker Huschitt

Die herkömmliche Ordnung scheint ihm zuwider. Volker Huschitts Malereien verrücken die Normalität, das was dem Betrachter als alltäglich erscheinen würde. "Organische Tendenzen" nennen sich die fantasievollen Bilderzählungen des Kieler Künstler und Kunsttherapeuten in der Wellandgalerie Kirchner. Am Sonntag wurde die Ausstellung eröffnet.

Von Sibylle Schwenk

Wie sieht das aus. was wir nicht sehen? Wie das Innere eines Atoms. einer Zelle, abseits der Wissenschaft dem fantasievollen Künstlerauge zugewandt? Volker Huschitt. der Kieler Maler mit dem Blick für das scheinbar Unwesentliche. bringt es auf Papier und Leinwand - zum sechsten Mal in der Wellandgalerie von Melitta und Robert Kirchner. Strenge, geometrische Formen eröffnen die über ein Vierteljahrhundert gespannte Werkschau des 1946 in Garmisch-Partenkirchen geborenen Künstlers. Aber bereits hier komponiert er einen Tick anders als man annehmen würde, bricht aus gewöhnlichen Wahrnehmungslinien aus. "Meine Intention", so formuliert es der Künstler, "ist eine märchenhaft biomorphe Bildwelt, mit dem Akzent auf dem Erzählerischen und mit der Amöbenform als Hauptakteur." "Der Wahrnehmungshilfe, die er uns anbietet, dürfen wir getrost trauen. Huschitt ist eine ehrliche Haut, das Zeugnis dafür, sind seine Bilder", meinte dazu Wolfgang Nußbaumer, Kulturredakteur dieser Zeitung, der in die Ausstellung einführte. Deshalb lässt man sich als Betrachter gerne auf die mikroskopische Betrachtung von "mitotisch" ein, auf das Versteckte, auch auf das Entdecken hinter dem Deckweiß-Schleier von "segmentiert". Er greift in "mitzeichen", "schichtung" und "weiße Form" in die Faszination der fiktiven Dreidimensionalität, spielt mit Farbe und Form, die immer gerade so anders sind, als man sie selbst spontan empfinden würde. "Es ist das virtuose Spiel mit den Gegensätzen, mit den Kontrasten, formal wie inhaltlich", beschreibt Nußbaumer. So ist der zirkelgezogene, gelbe Kreis eben nicht Mittelpunkt des Bildes, sondern strahlt von der Seite seine Dominanz aus. Das kratzt den Betrachter, lässt den Blick festkleben und tiefer loten. Dass "Organische Tendenzen" bei Volker Huschitt im "All grenzenloser Malerei" zu finden sind, lädt ein zu verweilen und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Den "Krieg der Sterne" könnte man assoziieren in den futuristischen Gebilden und außerirdischen Wesen. "Die klaren, streng umrissenen Formen von Quadrat und Kreis, der rechte Winkel als Weltschema, sie sind mutiert zum schieren Gegenteil", meinte der Redner. Nichts sieht also so aus, wie es aussehen soll, wie es in den momentanen Gedanken passt.

Erschienen in der Schwäbischen Post Aalen im März 2007
_______________________________________________________________

Kieler Fenster

Kieler Nachrichten Nr. 51 Sonnabend, 1. März 2003

Malend wieder leben lernen
Künstlergruppe des Kieler Fensters gewährt in ihrer Ausstellung Einblicke

„Ohne Malen hätte ich nicht überlebt!" Der Mann, der das sagt, sitzt inmitten einer Ausstellung der Gruppe „Die Sonntagsmaler" in der Hermann-Ehlers-Akademie. Mit kräftigen Farben übersetzte Alfons Satz Ängste und Unsicherheiten in seine Bildersprache: „Das war für mich wie eine Privattherapie." Zweieinhalb Jahre verkroch sich der 45-Jährige mit den Diagnosen manisch-depressiv und schizophren in seiner Wohnung, malte fast exzessiv. Nach 45 Klinikaufenthalten mit Zwangseinweisungen und 18 Jahren der Entmündigung, sagt Alfons Satz, „brauchte ich etwas, um wieder ins Leben reinzufinden." Die Malgruppe des Kielers Fensters, eine Hilfseinrichtung für Menschen mit psychischen Problemen, war dabei eine wichtige Hilfe.
Jeden Sonntag um vier treffen sich Psychiatrie-Erfahrene und „Normalos" gemeinsam im Kieler Fenster in der Alten Lübecker Chaussee 1. Für die Begegnung braucht es nur einen Klappstuhl, einen kleinen Unkostenbeitrag und Spaß am Malen. Bei allen Versuchen mit Kreide, Pastell oder Öl steht Volker Huschitt zur Seite. Der Kieler Kunstmaler schaut seinen Künstlern über die Schulter, hilft bei der Suche nach Themen, gibt Tipps zur Maltechnik: „Ich lasse die Leute arbeiten und gebe nur einen Schubs, wenn es nötig ist." Huschitts Anleitung hat offensichtlich Erfolg, denn die Bilder in der Hermann-Ehlers-Akademie sind nicht nur beeindruckende Dokumente der bildhaften Ausdruckskraft psychisch Kranker, sondern auch technisch eindrucksvoll. Kunst müsse nicht nur aus Leidensdruck entstehen, sagt Huschitt mit einem Seitenblick auf Alfons Satz; auch Spaß am schöpferischen Spiel könne zu beachtenswerten Ergebnissen führen. Bei den „Sonntagsmalern" allerdings, „da drängelt schon meistens etwas".
Nicht für jeden mag die Gruppe so existenzielle Bedeutung wie für Alfons Satz haben, doch auch Huschitt hat etwas Interessantes bei seinen Künstlern beobachtet: „Beim Malen üben sie immer wieder, Entscheidungen zu treffen. Etwas, was im Leben nicht immer gelingt." Noch deutlicher wird der 45 -jährige Satz: „Wer in der Malgruppe lernt, sich auszudrücken, kann auch wieder lernen zu leben." Der erste Schritt ist für Kunstmaler Huschitt die Suche nach dem Thema eines jeden Künstlers. Er animiert Neulinge, Zeitungsausschnitte mit interessanten Inhalten mit zubringen: „Wenn jemand sein Thema findet, dann ist das wie ein geistiges Zuhause.“ Dieses Zuhause kann der Anfang eines Ablaufs sein, der auch Alfons Satz widerfahren ist: Es kommen erste kleine Erfolge, alles klappt ein bisschen besser. Ein Platz in einer Wohngemeinschaft wird frei und eine Therapie hat Erfolg. Dass es bis dahin ein langer schmerzhafter Weg bleibt, hat Alfons Satz erfahren - trotz der etwa 1000 Bilder, die sich in seiner kleinen Wohnung stapeln. Ab und zu blickt Satz, der in Paris seinen ersten „Abdreher" bekam, seine Bilder durch und versetzt sich damit in die jeweilige Entstehungszeit; genauso, als wenn er eines seiner Gedichte liest. Am Ende kann einem Künstler das passieren, was Alfons Satz widerfahren ist: „Ein Maler, der sich selbst findet, verliert das Malen."

Tim Holborn